Dachauer Namensliste: Die Darmstädter Geschichtswerkstatt hat 2013 die Ausstellung „Namen statt Nummern“ des Projekts „Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ (www.gedächtnisbuchdachau.org) ausgeliehen und im „Offenen Haus“ der Evangelischen Kirche in Darmstadt präsentiert. Diese Ausstellung dokumentiert Biografien ehemaliger Dachau-Häftlinge, die von Mitgliedern der Projektinitiative recherchiert worden sind. In diesem Zusammenhang erhielt die Geschichtswerkstatt von der Gedenkstätte KZ Dachau eine Namensliste jener Häftlinge, die nach 1933 von Darmstadt aus in das Lager Dachau deportiert worden sind. Die Liste enthält fast neunzig Namen. Nur wenige der Genannten – wie z. B. Heinrich Delp, bis 1933 von der NS-Stadtregierung entlassener Bürgermeister – sind in Darmstadt heute (2020) namentlich noch bekannt und, wie Heinrich Delp durch eine Straßenbenennung geehrt. Die Lebensgeschichten der meisten dieser ehemaligen Dachau-Häftlinge sind in öffentlich zugänglichen Quellen nicht nachzuvollziehen.
Eine von ehemaligen Häftlingen des Lagers Dachau selbst aufgestellte Namensliste ist überliefert. Ein „Erinnerungsblatt“ mit der Einladung zur „Ersten Wiedersehensfeier“ jener Häftlinge, die im August 1944 nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler nach Dachau deportiert worden waren, nennt 64 überlebende Häftlinge, außerdem drei noch im Lager Verstorbene und zwei nach der Entlassung verstorbene. Die Wiedersehensfeier fand „im Speiseraum des Wartesaals im Hbf. zu Darmstadt“ im August 1946 statt. Unterzeichner der Einladung war Gottfried Baßler, SPD-Stadtverordneter bis 1933. (s. Erinnerungsblatt)
Die aus der Gedenkstätte Dachau überlassene Namensliste ehemaliger Dachau-Häftlinge aus Darmstadt enthält zahlreiche Hinweise auf weitere Deportationen der Betreffenden („überführt“) in andere Lager oder auch Vermerke wie „entlassen“ und „verstorben“. Nachfragen der Darmstädter Geschichtswerkstatt bei anderen KZ-Gedenkstätten haben 2013 ergeben: für das ehemalige KZ Buchenwald 52 Häftlingsnamen mit dem Geburtsort Darmstadt, außerdem 43 Namen aus der Buchenwalder „Sterbeliste“; für das ehemalige KZ Sachsenhausen 19 Namen, für Flossenbürg 10 Namen und für Groß-Rosen 9 Namen mit dem Herkunftsort Darmstadt. Nachfragen in den Archiven der ehemaligen Tötungsanstalten Hadamar und Hartheim erbrachten 2013 teils genaue Namensangaben, teils vorläufige und nur pauschale Zahlenangaben zu ermordeten Opfern aus Darmstadt und Umgebung. Die Auskunft aus der Gedenkstätte Hadamar erbrachte, dass bis 1941 nachweislich 86 psychisch kranke oder behinderte Patientinnen und Patienten mit Geburtsort oder dem letzten Wohnsitz in Darmstadt bzw. dem Landkreis Darmstadt dem „Euthanasie“-Mordprogramm zum Opfer gefallen sind; unter ihnen vermutlich drei jüdische Patienten aus der Provinzial-Pflegeanstalt Eberstadt (Immo Grimm/ Ruth Reichardt: Ins Licht gerückt … Von der Provinzial-Pflegeanstalt Eberstadt zum Teilklinikum der Stadt Darmstadt 1903-2013, Darmstadt 2013, S. 61). Zwischen 1942 und 1945 wurden nach Auskunft der Gedenkstätte Hadamar außerdem 21 Darmstädter Patientinnen und Patienten durch überdosierte Medikamente, Hungerkost und vorenthaltene medizinische Versorgung getötet. Wahrscheinlich sind diesen Todeszahlen noch mindestens 80 Pfleglinge der Eberstädter Anstalt hinzuzurechnen, die Immo Grimm (a.a.O., S. 64) auf Grund einer weiteren Auskunft aus der Gedenkstätte Hadamar nennt.