Aktuelles

Vor 80 Jahren: Distomo

Am 10. Juni 1944, am gleichen Tag, an dem eine SS-Kompanie im französischen Oradour-sur-Glane 642 Frauen, Männer und Kinder bestialisch umbrachte, massakrierten Angehörige einer anderen SS-Einheit in Griechenland die Zivilbevölkerung des Dorfes Distomo – 218 unschuldige Opfer, vom Kind bis zum Greis. Die Deutschen zerstörten Gebäude, erschlugen das Vieh und zündeten die Vorräte an. Es war ein Inferno, veranstaltet aus Rache für einen Partisanenangriff in der Umgebung. Die Liste der auf ähnliche Weise von Wehrmacht und SS verwüsteten Orte in Griechenland ist lang. Während die Landung der Westalliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 vor Ort und medial ausführlich in Erinnerung gerufen wird, scheint in Deutschland das blutige Geschehen in Distomo, das für die deutschen Besatzungsverbrechen in Griechenland zum Symbol geworden ist, weitgehend vergessen. Vor der deutschen Botschaft in Athen forderten deutsche und griechische Demonstranten Anfang Juni nach jahrelanger, bislang vergeblicher Forderung die Entschädigung aller Opfer, auch jener von Distomo durch den deutschen Staat. „Es genügt nicht, wenn Vertreter*innen des deutschen Staates Kränze an Gedenktagen niederlegen. Ohne Entschädigung kann es keine Gerechtigkeit geben“, sagte Martin Klingner vom Hamburger Arbeitskreis Distomo auf der Athener Kundgebung.

Die Klagen griechischer Opfer deutscher Besatzungsverbrechen sind bis heute nicht endgültig entschieden. Die Darmstädter Geschichtswerkstatt hat gemeinsam mit dem AStA der TU Darmstadt und der VVN-BdA im Dezember 2001 auf einer Konferenz zum deutschen Besatzungsterror in Griechenland 1941-1944 die griechischen Entschädigungsforderungen unterstützt. Der von den über hundert Konferenzteilnehmern unterzeichnete offene Brief an die damalige Bundesregierung blieb damals ohne Antwort. Alle seitherigen Bundesregierungen haben die Forderungen Griechenlands und griechischer Opfer bis heute abgelehnt.

 

Die Geschichtswerkstatt trauert um ihre litauische Freundin Fruma Kučinskienė

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(Fruma Kučinskienė 1933 - 2023)

Sie ist in der Nacht vom 22. Auf 23. Dezember 2023 in Kaunas verstorben.

Wir haben Fruma im Rahmen unserer Reisen nach Litauen auf den Spuren der Mordstätten der Nazi-Herrschaft kennengelernt. Fruma war eine der Wenigen, die das Ghetto in Kaunas überlebten, in dessen Flammen ihre gesamte Familie bei der Liquidierung des Ghettos im Juli 1944 ermordet worden war.  

Mit ihren Eltern und ihrem sieben Jahre älteren Bruder war Fruma im August 1941 in das Ghetto von Kaunasgetrieben worden. Die vor 1940 geplante Ausreise nach Palestina, wohin bereits in den 1930er Jahren ausgewanderteFamilienmitglieder lebten, war wegen ihres schwachen Gesundheitszustands so lange verschoben worden, bis es zu spät war. Im Herbst 1943, noch vor der sog. "Kinderaktion", bei der die Kinder des Ghettos ermordet wurden, beschlossen ihre Eltern, sie gegen ihren Willen aus dem Ghetto zu schmuggeln und in der Stadt zu verstecken. EinGhetto-Polizist brachte Fruma nach draußen, wo sie in permanenter Angst um ihre Familie und vor Entdeckung ihrerIdentität lebte. Ihr Überleben verdankte sie in erster Linie Helene Holzman, der deutschen Frau eines litauischen Buchhändlers, der in den ersten Tagen nach dem deutschen Überfall in Kaunas ermordet worden war. Bis zu ihrem Lebensende fühlte sich Fruma am Tod von Eltern und Bruder schuldig, weil ihretwegen die rechtzeitige Flucht nicht mehr gelungen war. Nach der Befreiung Litauens (1944) wurde Fruma von Helene und ihrer Tochter Margarete Holzman in ihre Familie aufgenommen, bis Mutter und Tochter 1965 nach Deutschland ausreisten. Frumablieb in Kaunas, heiratete, bekam drei Söhne und drei Enkeltöchter. Bis zu ihrem Tod am 22. Dezember 2023 lebte sie mit den Familien ihrer Söhne und in enger Freundschaft zu Juliane Zarchi in Kaunas. 

Liebe Mitglieder der Darmstädter Geschichtswerkstatt,

wir laden Sie/ Euch herzlich zur diesjährigen Mitgliederversammlung ein

am 24. Februar 2024

um 16:00 Uhr

im Elsa-Brändström-Weg 48, 64289 Darmstadt

Hier finden Sie die Einladung.

Neuer Vorstand der Geschichtswerkstatt

Die Jahreshauptversammlung der Darmstädter Geschichtswerkstatt e.V. für das Jahr 2022 hat bei den Neuwahlen am 20. Januar 2023 Kirsti Ohr und Bernhard Schütz – beide bereits im bisherigen Vorstand – sowie Katja Englert als Mitglieder des neuen Vorstandes gewählt. Die langjährige Vereinsvorsitzende Hannelore Skroblies und Christoph Jetter, ebenfalls seit Langem in der Darmstädter Geschichtswerkstatt aktiv, hatten nicht mehr für den Vorstand kandidiert. Als Schwerpunkte der Vereinsarbeit werden Themen und biografische Recherchen zu Widerstand und Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus fortgeführt werden.